Montag, 23. Mai 2011

Die große Wut


Ein komplexes Thema und es ist ein ziemlich langer Bericht geworden. Aber damit gebe ich auch erst mal den Stab weiter und freue mich auf die Berichte meiner Mitautoren!!!

Einleitend ein Zitat aus der konservativen Wiener Zeitung "Die Presse" vom 21.05.2011:

"Es geht um eine Jugend, die, ohne selbst Aussicht auf gute Beschäftigungsverträge, ausreichend große Wohnungen oder eine abgesicherte Pension zu haben, für die Kredite ihrer Vorgängergeneration geradestehen muss. Wer unter ihnen nicht erbt oder in die dünne Schicht des Managements aufsteigt, wird von allen künftigen Krisen und Verwerfungen hauptbetroffen sein. Ihr Ärger ist schlicht verständlich und wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit in ganz Europa ausbreiten."

Ein paar persönliche Worte vor weg:

Höchste Eisenbahn für mich um über das Thema Wut zu sprechen, bevor ich platze. Nun ja, sicher bin ich in einer speziellen Situation derzeit, aber das ist ja auch nichts Neues. Schließlich suche ich einmal mehr nach einem Platz für mich, an dem ich mich wohl fühlen könnte und habe keine Ahnung, wo der sein mag und für was ich kämpfen könnte, um mich nicht mehr so wütend zu fühlen und selber vor die Hunde zu gehen. Ich lenke mich ab so gut ich kann. Aber das wird nur noch einige Tage halbwegs gutgehen und was dann kommt, das ist (noch) beängstigend. Denn Wut von dieser Intensität ist nicht selten vernichtend.

Irre Wut ist etwas was mich schon seit über einem Jahrzehnt begleitet und noch immer habe ich keinen Weg gefunden, diese zu kanalisieren. Im Gegenteil, ich habe alles getan, um diese Wut zu unterdrücken, schließlich weiß ich genau was passiert, wenn sie sich ihren Weg bahnt: pure Eskalation. Da bin ich der klassische Dampfdruckkessel: wie ich es gelernt habe, alles runterschlucken, wegtrinken oder anders betäuben und wenn dann der Druck am Anschlag ist durchdrehen. Was dann passiert ist schlichtweg gefährlich – für Andere aber vor allem für mich. Das hat mich definitiv schon einige Freundschaften gekostet und andere Freundschaften immer wieder massiv auf die Probe gestellt. Soviel mal zu meiner Wut.
Was mich so wütend macht: Die Zustände auf diesem Planten und in den westlichen Konsumgesellschaften, Ausgrenzung, Egotrips, Bevormundung oder Ignoranz, um nur einige einleitende Stichworte zu nennen. Ich möchte mich hier vor allem auf den Blickwinkel der Jugend einstellen, denn hier findet man das größte Aggressionspotential.

Immer mehr scheint es nur noch um Gewinner und Verlierer zu gehen. Alle ziehen in die immer grauer werdenden Städte, weil vor allem noch dort mittelfristige Perspektiven winken und der Konkurrenzkampf wird hier immer härter.

Immer mehr junge Menschen wollen nicht alt werden in dieser Welt.

Wo doch eine Klimakonferenz nach der anderen zur Makulatur wird, wo die einzige Hoffnung noch darin zu bestehen scheint, dass schnell genug neue Technologien entwickelt werden, die noch das Schlimmste der Klimakatastrophe verhindern können oder zu hoffen, dass sich die Schwellenländer (allen voran Indien und China) nicht so schnell entwickeln, wie man es inzwischen erwarten muss. Was für mich auf reine Arroganz hinausläuft.

Anstatt endlich umzudenken und sich von der wahnwitzigen Wachstumsideologie zu verabschieden, die die Welt zerreißt. Der Kapitalismus tritt noch entfesselter auf, als es überhaupt keine Alternative mehr zu geben scheint, nachdem der Sozialismus so grandios gescheitert ist. Wobei ich immer noch sehr viel vom sozialistischen Gedanken halte, leider hat man nur Beispiele von Diktaturen gesehen, in denen es keine freie Wahlen hab. Aber ich hoffe, das war noch nicht das Ende. Es muss doch noch andere, basisdemokratischere Gedanken geben!

Das Erstarken der Grünen halte ich für ein sehr positives Zeichen. Und wenigstens in der Atompolitik ist ein Ende in Sicht. Hoffentlich können wir damit ein Zeichen setzen, dass Nachahmer findet. Es ist schließlich pervers, atomaren Müll zu produzieren, wo noch immer unklar ist, ob dieses Problem wirklich beherrschbar ist. Von den furchtbaren Katastrophen die sich bereits ereignet haben ganz zu schweigen.

Dann leben wir auch schon viel zu lange in einer Schuldenunkultur, die inzwischen überall grassiert. Wie sollte man sonst den Konsum erbringen, der die notwendigen  Wachstumsimpulse bringt, ohne den wir alle zugrunde gehen würden? Zynismus pur! Und wer soll das alles bezahlen? Inzwischen sind all die Schulden so hoch, dass ich bezweifle dass irgendeine Generation sie jemals bezahlen können wird.

Natürlich will keiner von seinen Pfründen weg, natürlich will keiner von dem an ihn versprochenen Lohn seines Arbeitslebens abrücken. Aber sieht denn keiner, dass diese verfahrene Situation eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung darstellen muss und nicht weiter aufgeschoben werden kann? Das ist doch reiner Fatalismus, genauso weiter zu machen.

Und dieser Zorn zeigt sich doch europaweit. Die brennenden Autos in Frankreich, die seit Jahren andauernden Proteste in Griechenland und die aktuellen in Spanien haben sicher noch mehr Gründe als diesen einen, Aber eben auch im Wesentlichen diesen. Dass nicht einfach Generationen (ohne dabei alle über einen Kamm zu scheren) über ihre Verhältnisse leben können und die jeweils nächste die Suppe wieder ausbaden kann bis es irgendwann nicht mehr geht. Ist das Solidarität?

Aber ein jeder ist angesprochen. Das amerikanische System – das ja, ginge alles mit rechten Dingen zu, zum Staatsbankrott führen müsste – basiert doch auf Schulden machen und mithilfe der Fed-Bank wird dann neues Geld gedruckt. Wen interessiert schon Inflation? Ich vereinfache jetzt bewusst, bin ja kein Ökonom…

Was für ein perfides Verständnis, einfach eine neue Kreditkarte zu benutzen, wenn die alte nicht mehr akzeptiert wird. Häuser und Autos zu leasen, die man nie und nimmer wieder abzahlen kann – das ist doch pervers und man muss nicht mal bis drei zählen zu können, um zu erkennen, dass ein solches System nur gegen die Wand fahren kann. Und diese Zustände sind auch hier längst Realität. Wenn ich mir Werbeprospekte anschaue, in denen nur Leasingpreise aufgeführt werden wird mir einfach schlecht. Mal abgesehen, dass das reine Verblendung ist. Und der soziale Druck erledigt den Rest.  In der Regel sollte man nur die Dinge kaufen können, die man sich leisten kann. Und wenn eine Geschäftsidee einen Kredit nötig macht, muss doch realistisch sein, diesen auch abzahlen zu können. Konsum ist doch kein Selbstzweck!!!

Aber jetzt schreien alle auf wegen der Situation in Griechenland. Sicher ist dort vieles massiv falsch gelaufen, aber letztlich ist das doch auch nur eine Folge dieses Wahnwitzes. Ich will die Korruption und den aufgeblähten Staatsapparat, die auch eine erhebliche Rolle für den dortigen Niedergang spielen, nicht unter den Teppich kehren. Aber es braucht doch keiner so zu tun, als sei das nicht schon vor Jahrzehnten klar gewesen.
Wenn ich an die Spekulanten denke, die sich an diesem Niedergang auch noch bereichern, wird mir ganz übel. Und noch eine letzte Anmerkung dazu: Mag ja sein, dass Beamte im Staatsdienst in Griechenland im Gegensatz zur Privatwirtschaft zu viel verdienen. Aber eben auch, dass Menschen, die in der Privatwirtschaft arbeiten kaum über die Runden kommen bei im Übrigen teureren Preisen als hierzulande. Und zu recht sauer sind. Auf ihren eigenen Staat sicherlich, aber eben auch auf völlig überzogene Anschuldigungen, sie profitierten in irgendeiner Form von den Staatshilfen. Diese dienen doch nur dazu, Schulden zu bedienen. Aber man hat ja gerne einen Sündenbock.

Komme ich zum Thema Ausgrenzung. Die mangelnde Integration von Ausländern ist sicher nochmal ein ganz eigenes Thema, spielt aber eine erhebliche Rolle für eine immer weiter misslingende Solidarität. Manchmal frage ich mich jedoch, ob denn junge Deutsche ausreichend integriert sind.
Ich fürchte auch unter Ihnen gibt es viel zu viele, die aus dem Rost fallen. Dafür halte ich auch eine völlig verkorkste Bildungspolitik (mit)verantwortlich. Die Zeiten, in denen die deutsche Bildung Hochachtung im Ausland erregte, sind sicher vorbei, trotz guter Gegenbeispiele von ganz phantastischen Schulen. Aber alleine die Tatsache, dass es immer noch Hauptschulen gibt und nicht endlich eine vernünftige Gesamtschule verwirklicht wird, könnte mich auf die Palme bringen.
Vielleicht noch mehr die Tatsache, dass noch immer behauptet wird, es wäre zu teuer, Pädagogen und Psychologen zusätzlich an Schulen anzustellen. Es braucht sie und zwar an jeder Art von Schule. Um jungen Menschen beizubringen, sich solidarisch untereinander zu verhalten (was lernt man denn aus den Medien? Schöner, besser, reicher und erfolgreicher. Ellbogen raus und durchsetzen). Oder um Defizite in Elternhäusern auszugleichen.

Aber wehe, wenn es wieder zu einem Amoklauf kommt. Dann sind Gewaltspiele gerne alleinige Ursache. Ich möchte nicht den Einfluss der Medien verleugnen – ich denke schon, dass gezeigte Gewalt einen großen Einfluss hat. Aber akzeptieren nicht alle, dass so viel Gewalt rund um die Uhr im Fernsehen zu sehen ist? Und ist das als Erklärungsmuster nicht doch arg dürftig?
Statt sich Gedanken über die wirklichen Auslöser zu machen, werden irrsinnige Vorschläge gemacht und Millionen ausgegeben, um Schulen zu Hochsicherheitstrakten umzufunktionieren. Wichtig wäre, einzusehen, dass es ganz andere Angebote an die Schüler braucht und eben Psychologen, die aufzeigen, wie man Konflikte sinnvoll lösen kann und was Mobbing anrichten kann. Und auch die Lehrer müssen viel besser in psychologischer Arbeit vorbereitet werden. Ohne diese Fähigkeiten geht es ihnen und den Schülern gleichermaßen schlechter.

Und es braucht Sozialarbeiter, die bei sich ankündigen Problemen, Zeit mitbringen, um sich auch mit dem sozialen Umfeld der Schüler zu beschäftigen. Ich erinnere mich noch genau an die Dokumentationsreihe „S.O.S. Hauptschule“, die zeigte, wie viel sich dadurch für Schulen und Schüler verbessern kann. Aber dabei ist es dann leider geblieben.

Und so greifen die üblichen Reflexe. Mithilfe der Medien werden diese Amokläufer zu Monstern stilisiert, anstatt sich schlicht und ergreifend zu fragen, was in diesem Täter vorgegangen sein muss, um zu solch einer bestialischen Tat fähig zu sein. Wie viele seelische Verletzungen er erlitten haben muss. Da ist doch das wahre Versagen. Dass niemand sich mehr traut, einzugreifen, wenn einzelne Schüler systematisch fertig gemacht werden. Auch ich selbst habe solche Erfahrungen machen müssen  und es hat keine Sau interessiert. Ich kann diesen Hass durchaus verstehen und bin froh, dass ich anders gestrickt bin. Aber die Wut gegen sich selbst zu richten, führt zu ähnlich fatalen Entwicklungen, auch wenn sie nicht im Fernsehen zu sehen sind. Und selbst ökonomisch betrachtet wäre es sicher sinnvoller, das Geld in bessere Hilfen zu stecken, als später Hunderttausende zu haben, die aus dem Netz fallen, die keine wirkliche Ausbildung erreichen und am Schluss wütend unsere Straßen bevölkern. Das ist doch hirnrissig! Woher kommt denn der allseits beklagte Fachkräftemangel?  
Auf die weiter massive Ausgrenzung von behinderten und psychisch erkrankten Menschen werden wir mit dem Scheinwerfer an anderer Stelle zurückkommen.
Genauso wie zu dem, was ich/wir von Alters- und Pflegeheimen weiß und erlebt habe. Ein weiterer Grund nicht das Alter anzustreben. Viele alte Menschen werden entmündigt, ihr Erfahrungsschatz, der viele Generationen lang auch der Orientierung jüngerer Menschen dienen konnte, wird weggeschmissen und verschwindet vielfach für immer. Was für eine Verschwendung. Was habe ich nicht alles von meinem Opa lernen dürfen und wie viel mehr hätte ich gerne gelernt! 

Kein Wunder, dass sich viele junge Leute als Teil einer „Generation Null“ sehen. Wie die Zustände in sozialen Brennpunkten aussehen, das wollen viele schon lange nicht mehr wissen.  Perspektivlosigkeit pur findet man dort vor und das kann dauerhaft nur zu einem Klima der Gewalt führen.
Anstatt hier gegenzusteuern und Angebote für die Jugendlichen zu schaffen, werden diese Viertel oftmals aufgegeben und sich selbst überlassen. Die rechten Fischer und die organisierte Kriminalität können sich freuen.

Der Reflex ist ein ganz anderer. Wie heißt es so schön: Gentrifizierung oder schön gesagt Aufwertung von Stadtquartieren. Da muss man nur nach Hamburg ins Schanzenviertel schauen oder nach Kreuzberg. Man will die Menschen, die am Rande der Gesellschaft (und jetzt mal weg von der Jugend) nicht in den Innenstädten sehen. Die sollen sich in den Außenbezirken austoben. Die dort angestammten Menschen können sich höhere Mieten nicht mehr leisten. Sie sollen alle weichen. Das ist doch menschenverachtend!
Ein weiterer Aspekt ist die immer größere Vereinsamung der Menschen – und das mitten in der Masse. Die Zeiten werden immer hektischer, immer weniger Menschen haben noch einen freundlichen Blick für die Anderen über.

Es muss endlich eine Abkehr von einem System von Gewinnern und Verlieren geben und neue Debatten, wie wir miteinander umgehen, Wahrheiten müssen ausgesprochen werden. Der Protest gegen Stuttgart 21 (freu mich schon auf den Bericht vom Europäer - da wird’s einiges zu diskutieren geben) war ja nicht nur wegen dem Kernthema spannend. Sondern auch, weil es zeigt, dass viele Menschen mit dem bestehenden System nicht einverstanden sind und ein anderes Verständnis von Politik und Solidarität einfordern. Das macht ein wenig Mut.

Der amerikanische Traum sollte nun wirklich ausgeträumt sein. Die Illusion, jeder könne alles erreichen ist falsch. Ehrlich wäre zu sagen, dass es immer weniger Arbeit und immer mehr Menschen gibt und es daher notwendig ist, neue Gesellschaftsstrukturen zu schaffen und endlich einmal eine vernünftige Debatte über ein Grundeinkommen zu führen (was wir hier auch noch tun werden).

Dieser törichte Traum dient nur dazu, ein System zu erhalten, das einfach nicht zu halten ist. Und mögen uns noch so viele Formate wie „Deutschland sucht den Superstar“ etwas anderes vorgaukeln.
Wenn Familien immer weniger Halt geben, weil in diesen hektischen Zeiten immer weniger Beziehungen gelingen, so braucht es neue Denkansätze wie z.B. Generationshäuser, um das annähernd auszugleichen.
Man sagt ja gerne, dass man viel über eine Gesellschaft lernen könne, wenn man sich anschaut, welche Drogen konsumiert werden. Heute sind das Upper: Amphetamine, Speed, Kokain. Man muss ja mithalten können und unter deren Einfluss kann man auch wunderbar seine Aggressionen ausleben…  Das weiter ausufernde Komatrinken sagt auch einiges über die Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit in einer Welt, die längst an Geschwindigkeit die Fähigkeiten zu vieler Menschen überholt hat.

Natürlich sind nicht nur Jugendliche wütend…schaut Euch mal um in billigen Supermärkten, auf der Straße, in der Bahn - überall dort wo viele „Verlierer“ zu sehen sind: Tunnelblicke, kaum einer schaut einem in die Augen und wenn man es selber tut wird man  betreten oder auch gerne aggressiv angestarrt…
Wer sich natürlich leisten kann nur im Auto, im Büro, beim teuren Feinkostladen und in den eigenen vier Wänden aufzuhalten, kann sagen, dass ihm diese Welt fremd ist und wenn ihm doch einmal der traurige Rest auffällt, diesen als mickrige Randgruppe abgetan.

Keiner interessiert sich mehr für die Not anderer…die sind doch selbst schuld…lehren uns das nicht große Teile der Medien? Ursache, das zu glauben kann doch nur fehlende Empathie sein oder auch die unterschwellige Angst, auch so zu enden.

Wer sich mit diesen Umständen arrangieren kann (was bleibt einem schließlich übrig außer Hartz 4 und sozialem Abstieg?), einen Platz für sich erkämpfen kann und sich dann sogar für eine Familie entscheidet, hat meinen vollen Respekt! Nicht einfach eine Nische finden, die Perspektive zu verändern. Und richtig ist, dass Jammern höchstens Ins Unglück führt.

Aber was wird aus dem Rest, der einfach nicht finden kann, wonach er sucht, der all das nicht ausblenden kann und immer mehr verzweifelt? Mit denen, die keine Chance haben auf dem Arbeitsmarkt? Mit denen die sich irgendwann aufgegeben haben?
Auch ich möchte eines Tages eine Familie haben. Auch wenn ich oft Angst habe, in was für einer Welt meine Kinder aufwachsen würden, wenn sich nicht endlich etwas ändert. Gibt es dann noch Natur außerhalb von Parks? Sind die Straßen dann noch sicher? Haben wir ausreichend alternative Energien entwickelt, wo doch alle Rohstoffe bald am Ende sind? Wohin wird das alles führen?
Ich habe nicht aufgegeben, ich glaube noch, dass der notwendige Umbruch noch möglich ist, sonst bräuchte ich diese Zeilen auch gar nicht mehr schreiben. Doch manchmal wünschte ich mir, ich könnte einfach die Augen für immer verschließen und endlich meinen Frieden haben. Und meine eigenen Gedanken erschrecken mich, bin ich doch noch keine 30 und oft so desillusioniert. Glücklicherweise habe ich speziell auf meinen Reisen auch andere Beispiele gesehen, noch deutlich intaktere Gesellschaftsformen, die allerdings auch mehr und mehr in der Auflösung stehen. Die Globalisierung bringt die Entwicklungen, von denen ich schreibe ja bis in den letzten Winkel der Welt und führt dort zu noch fataleren (weil schnelleren) Entwicklungen. Wir stehen am Umbruch, am Wendepunkt.

Aber es braucht auch Köpfe, um diese Wende wirklich zu erreichen und die dafür einstehen und keine „Medienpolitiker“. Der Turbokapitalismus, der in meinen Augen immer mehr Menschen in den Abgrund darf einfach nicht das Ende sein. Sonst endet diese Menschheit bitter!
Mir ist schon klar, dass viele mir nicht auf diesen Gedankengängen folgen wollen und ich hier erst mal nur mal meine ganz persönliche Sicht der Welt darlege. Aber ich weiß auch, dass viele meine Wut teilen und dass es einfach zu Viele sind. Ich betreibe hier keine negative Sozialromantik und bekenne, das wohl jedes System und wenn es noch so gut ist, Arme und Reiche kennt. Aber wenn zu viele Menschen das Gefühl haben in die Röhre zu sehen und keine Perspektive zu haben, dann muss es irgendwann knallen. Und dieser Knall, der in meinen Augen furchtbar sein wird ist unausweichlich, wenn es uns nicht gelingt zu einer neuen Solidarität zu finden!

Ich beschreibe hier nur Gründe für die Wut, wie ich sie sehe, und heiße keineswegs das zu erwartende Ergebnis gut. Aber wenn sich nichts ändert, dann muss es vielleicht knallen. Ich weiß nur nicht, ob wir das, was dann kommt gut überstehen. Und Bilder von prügelnden Jugendlichen, die keine Gnade mehr kennen waren dann nur der Anfang. Aber diese Brutalität will ja offenbar keiner verstehen. Dringend Zeit, darüber intensiver nachzudenken und gegenzusteuern, bevor alles noch schlimmer kommt. Es wäre schade, wenn es so weit kommt, dann ginge weit mehr zu Bruch als gut wäre und ich denke, dass Europa (wenn nicht gar die Welt) dann brennen.

1 Kommentar:

  1. Ich muss zugeben, dass ich die Demonstrationen in Griechenland und vor allem jetzt in Spanien aus Zeitgründen nur am Rande verfolgt habe.

    Bei allem Ärger über die derzeitigen Zustände stimmt mich aber besonders die Situation in Spanien sehr hoffnungsfroh.

    Die Menschen müssen für die Politik zum Problem werden.
    Das sind sie jetzt schon in gewisser Weise. Schon jetzt sind die Menschen, die durch's soziale Raster fallen und die man schon längst aufgegeben hat, zu einem Problem geworden. Ein finanzielles Problem. Niemand glaubt ersnthaft, das "Prekariat" noch einmal in Lohn und Brot zu bekommen. Das Problem muss verwaltet werden, möglichst mit geringem finanziellen Aufwand.

    Doch gefährlich sind diese Menschen nicht für die Herrschenden, egal ob Politik oder Wirtschaft. Sie tun ja einem ja nix, sie kosten nur.

    Das muss sich ändern. Sie sollen für die Herrschenden ein bedrohendes Problem werden.
    Lange Zeit hat man geglaubt, insbesondere unsere Generation wäre zu Protest gar nicht fähig, völlig unpolitisch und teilweise ignorant. Das hat der herrschenden Klasse eine gewisse Sicherheit gegeben und die Umverteilung von unten nach oben konnte forciert werden.

    Aufstände brauchte man nicht fürchten, dachte man, egal in welchem Teil des politischen Spektrums. Die einen rieben sich die Hände, die anderen waren frustriert und völlig desillusioniert.

    Jetzt zeigt sich allmählich, dass diese Ignoranz und Arroganz sich nun rächen könnte. Die Leute WEHREN sich jetzt endlich und sie werden zu einem Problem, mit dem man sich als Politiker beschäftigen muss, ob man es nun möchte oder nicht. Das zeigt die Reaktion der Politik in Spanien teilweise jetzt schon. Ihnen schlottern die Knie.

    Und es gehen nicht nur Menschen auf die Straße, die persönlich stark betroffen sind und um ihre Existenz bangen müssen. Viele tun dies aus reiner Überzeugung.
    Auch die braven und wohlhabenden Schwaben sind nicht mit dem Messer im Rücken nach vorne gestürmt.

    Es entsteht das Gefühl, durch das Aufstehen etwas verändern zu können. Dieses Gefühl habe ich persönlich hier in Stuttgart. Mehr als deutlich wurde hier den Herrschenden vor Augen geführt, dass man eben nicht alles machen kann. Dass eine Protestbewegung irgendwann so mächtig werden kann, dass sie den Herrschenden auf Augenhöhe begegnet, das Gefälle zwischen "Oben" und "Unten" verschwindet. Und dass dies heute, im Hier und Jetzt, jederzeit und überall passieren kann.

    Das zarte Pflänzchen, das gerade entsteht, muss wachsen. Und es muss europäsich werden, mindestens. Politikern und besonders Spitzenmanagern in ganz Europa muss Angst und bange werden.

    Die Bewegung wird wachsen, über Monate, über Jahre, ich weiß es nicht. Aber sie wird.

    Es wurde ja im Zuge der Proteste gegen Stuttgart 21 von Projektbefürwortern immer wieder das Argument wiederholt, dass durch den Widerstand das rechtsstaatliche Prinzip gefährdet werde. Auch, dass unser System von klugen Menschen so geschaffen worden wäre wie es ist und all dies schon seine Daseinsberechtigung hätte.

    Leider kann man fast keine der klugen Menschen finden, die dieses System mitbegründet haben, die meisten liegen ja schon unter der Erde.

    Georg Schramm jedoch hat bei einer Montagsdemo passende Worte eines der Männer zitiert, der vor langer Zeit Mitautor der international gültigen Menschenrechte war. Er ist inzwischen 93, heißt Stéphane Hessel und ist Deutsch-Franzose, Europäer durch und durch.

    Er schreibt heute: "So rufen wir auf zu einem friedlichen Aufstand gegen die Massenkommunikationsmittel, die unserer Jugend keine andere Perspektive bieten als den Massenkonsum, die Verachtung der Schwächsten, die Verachtung der Kultur, der allgemeine Gedächtnisschwund und die maßlose Konkurrenz aller gegen Alle. Den Männern und Frauen, die das 21. Jahrhundert gestalten werden, rufe ich aus ganzem Herzen und aus voller Überzeugung zu: Neues schaffen heißt Widerstand leisten. Widerstand leisten heißt Neues schaffen."

    AntwortenLöschen