Mittwoch, 18. Januar 2012

Frontal21: Wie wollen wir sterben?

Nachdem ich mal wieder dazu genötigt wurde (nicht böse gemeint), mich hier zu verewigen, versuche ich es mit einem Bericht in der gestrigen Ausstrahlung von "Frontal21". Ich schätze diese Sendung eigentlich sehr. Zuallererst der Link zum gestrigen "Frontal21"-Beitrag

Daraufhin musste ich ein paar Worte an die "Frontal21"-Redaktion loswerden:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

ich war kurz davor, im Betreff genannten Beitrag in Ihrer letzten Sendung richtig gut zu finden.
Dennoch zerstören Sie die (eventuelle) Botschaft des Berichts mutwillig:

Anfangs wird noch darüber diskutiert, ob es sinnvoll ist, das Leiden offensichtlich sterbender Menschen zu verlängern. Hier auch die Kosten zu erwähnen, halte ich nicht für moralisch verwerflich.

Was hat aber das alte Mißfelder-Beispiel mit dem Hüftgelenk für 85-Jährige in diesem Bericht zu suchen? Ich als 29-Jähriger gestehe jedem Menschen, egal welchen Alters, jede erdenkliche medinzinische Behandlung (sofern sie anderen nicht schadet) zu, wenn sie ein erfülltes und würdevolles Leben ermöglichen. Dies ist meiner Meinung nach auch bei künstlichen Hüftgelenken für 85-Jährige der Fall. Mir erschließt sich in keiner Weise, inwiefern ein künstliches Hüftgelenk den Sterbeprozess eines alten Menschen verlängern soll.

Frontal21 begibt sich mit dem Bericht meiner Meinung nach auf dünnes Eis und vermischt zwei völlig konträre Standpunkte, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Auf der einen Seite die ethisch hochsensible Frage, wann eine Verlängerung des Lebens (bzw. Leidens!) noch Sinn macht. Auf der anderen Seite der plumpe sozialdarwinistische Versuch der Neoliberalen, Schwächeren aus Kostengründen ein würdevolles Leben bzw. Altern zu verwehren.

So eine Berichterstattung bin ich von Frontal21 nicht gewohnt und ich war einigermaßen erstaunt. Trotzdem habe ich den Bericht innerlich in die Schublade "unglücklich" abgelegt. Aber nur mit sehr, sehr gutem Willen.

Es ist außerdem mitnichten so, dass allein die Existenz der Alten und Schwachen die Krankenkassen belasten. Wir alle wissen doch, dass das zweigeteilte Gesundheitssystem (Privat/Öffentlich) die Hauptursache ist und dass eine echte Solidargemeinschaft sehr wohl noch einiges mehr aushalten könnte.
Die in Ihrem Beitrag gezeigten Berechnungen von Prof. Fleßa stützen das Hüftgelenkbeispiel meiner Meinung nach ebenfalls nicht. Herr Fleßa macht deutlich, dass die größten Kosten im letzten Lebensjahr eines Menschen anfallen. Dies unterstützt den Schluß, dass es sich hier oftmals um sinnlose lebens- und leidensverlängernde Maßnahmen handelt. Ein künstliches Hüftgelenk o.ä. kann auch über 85-Jährigen jedoch noch viele beschwerdefreie und erfüllende Lebensjahre bringen. Eine bei Nichtbehandlung folgende körperliche Behinderung hingegen würde für die Betroffenen deutlich schneller in die Sackgasse unselbständiges Leben (und Sterben) führen, womit wir wieder beim ursprünglichen Ausgangspunkt des gesendeten Beitrags wären. Ich hoffe, Sie erkennen den Widerspruch.

Mit freundlichen Grüßen,

Markus Schunk
70191 Stuttgart"

1 Kommentar:

  1. WIr leben in einer Gesellschaft in der das Sterben immer noch weitesgehend tabuisiert ist. Kein Wunder in einer Medienwelt in der Jungsein immer noch als DAS Ideal gilt. So bin ich ganz froh, dass das Thema inzwischen deutlich kritischer betrachtet wird und sich immer mehr Menschen Gedanken über ein humanes Sterben machen.
    Auch ich habe gesehen, wie Menschen unnötig leiden mussten und die Pflegekräfte zynisch geworden sind, weil sie Menschen "mobilisieren" mussten, die mit jeder Faser danach schrien, von ihrem Leid erlöst zu werden ohne diesen Wunsch in Worte fassen zu können.
    Du schreibst:
    "Auf der anderen Seite der plumpe sozialdarwinistische Versuch der Neoliberalen, Schwächeren aus Kostengründen ein würdevolles Leben bzw. Altern zu verwehren."
    Damit stimme ich völlig überein. Der Bericht bewertet die verschiedenen Meinungen nicht ausreichend und vermischt auch in meinen Augen zwei völlig unterschiedlich motivierte Aspekte.
    Insgesamt dneke ich dass erst eine wirkliche Solidargesellschaft vernünftige Diskussionen und Antworten auf die ethische Herausforderungen des Sterbens liefern kann.

    AntwortenLöschen