Sonntag, 19. Juni 2011

Zeitarbeit – sinnvolles Arbeitsmodell oder Ausbeutung?


Inzwischen ist die Zeitarbeit aus der deutschen Wirtschaft kaum noch weg zu denken. Und sicher gibt es Arbeitsbereiche, in denen sie eine sinnvolle Komponente in der Arbeitswelt darstellt.  Als Instrument, um auf variierende Auftragslagen reagieren zu können. Um für wenige Betriebe gemeinsam einen zusätzlichen Arbeitsplatz schaffen zu können, den sie die einzelnen Unternehmen alleine nicht hätten leisten können. Sicher gibt es da noch weitere Beispiele.
Leider sehe ich nur hauptsächlich eine ganz andere Entwicklung. Zeitarbeit dient leider nur noch im Ausnahmefall dazu, zusätzliche Arbeitsplätze zu generieren sondern sie ersetzt schon seit längerem immer mehr bestehende Arbeitsverhältnisse. Und das ist eigentlich ein riesengroßer Skandal!
So arbeiten „Zeitarbeiter“ mit den Festangestellten oftmals dauerhaft in derselben Firma unter denselben Arbeitsbedingungen und bekommen dafür erheblich weniger Geld, teilweise gar nur 60 % des Nettolohns. Mitarbeiter werden entlassen und dann werden ihnen wieder Zeitarbeitsverträge angeboten. Und wer die nicht annimmt ist raus. Solche Entwicklungen treffen längst nicht nur einzelne Branchen, sondern haben sogar im sozialen Bereich Fuß gefasst. Am Anfang waren es dort das Reinigungspersonal und die Hauswirtschaftler. Inzwischen werden auch immer mehr Pflegekräfte auf dieser Basis beschäftigt. Das ist unglaublich unsozial!
Ein Blick auf die Jobbörse der Arbeitsagentur zeigt sogar, dass der überwiegende Teil der Stellenangebote im sozialen Bereich inzwischen über Zeitarbeitsfirmen vermittelt werden, mit denen die Arbeitsagentur langfristige Verträge eingegangen ist. Diese Zusammenarbeit ist für mich der Gipfel der Unverschämtheit! Das schönt die Statistiken, aber vertieft die sozialen Gräben nur noch weiter.
Ich würde nicht so weit gehen im Zusammenhang von Zeitarbeit von moderner Sklaverei zu sprechen, aber eine massive Zweiklassenbehandlung ist nicht mehr von der Hand zu weisen.
Und hier muss die Politik reagieren und die Zeitarbeit gesetzlich so zu definieren, wie sie ursprünglich gedacht war: Als zusätzliches Arbeitsplatzinstrument! Immer nur die Globalisierung vorzuschieben kann ich nicht mehr hören. Wir können preislich ohnehin nicht mit den boomenden Schwellenländern (allen voran China und Indien) konkurrieren.
 Diese totale Kapitulation vor der Wirtschaft muss endlich ein Ende haben. Der Preis ist viel zu hoch. Anständige Arbeit muss entsprechend entlohnt werden. Ultimativ Zeit für einen Mindestlohn für die Branchen.
P.S.: Reaktionen auf den Artikel zum Grundeinkommen würden mich sehr freuen. Auch dieses würde die Arbeitnehmer massiv stärken und keiner müsste sich auf solche Hungerlöhne einlassen.

7 Kommentare:

  1. Schöner Ansatz. Werde ich bald um eigene Erfahrungen ergänzen. War ein Jahr lang in der Zeitarbeit. Grüße

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  2. Ein Leben für die Arbeit - Erfahrungen Zeitarbeit

    Kennt ihr das ? Ich will einfach nicht mehr zu Hause sitzen. Ich habe nicht viel Geld. Doch mit dem wenigen Geld, dass ich als Arbeitsloser "verdiene",
    sitze ich viel in Kneipen. Philosophiere über den Alltag. Die Themen sind sinnlos. Meist, redet jeder von seinen Sorgen, jedoch merkt er nicht, dass er sich mit all dem Alkohol noch mehr in die Scheiße reitet. Ich denke ich war kurz vor dem dem Abgrund, als ich den Absprung wagte. Es solltet ein kompletter Neustart werden. Ein neue Stadt. Weit weg von der Heimat. Alles fremd. Keinen Menschen kennen. Mit einer wildfremden älteren Frau, in einen der nach St.Pauli bekanntesten, Szeneviertels Hamburgs ziehen. Eine neue Arbeit war auch gefunden. Leider ein Unternehmen, das den Menschen als Ware sieht. Der Mensch als Marionette in einem der größten sozialen, kirchlichen, Einrichtungen in Hamburg. Mit einem aufstehen am Morgen, das unsicherer macht wie jede Arbeitslosigkeit. Meist wusste ich nicht mehr als drei Tage vorher. wo ich den dieses mal arbeiten werde. Oft erfuhr ich es erst wenige Stunden vorher. In den "Einsatz" wurde ich schlecht bis gar nicht vorbereitet. Da ein Zeitarbeiter im sozialen Bereich, gerne gerufen wird, "wenn es brennt", ist es nicht selten vorgekommen, dass man von Glück reden konnte, wenn ein weiterer Kollege in einer bestimmten Einrichtung schon mehr als einmal war. So konnte man wenigstens etwas den Ablauf organisieren. Feste Mitarbeiter sollte man manchmal auch zu meiner Zeit antreffen. Diese waren jedoch so motiviert dich an zuleiten, dass eine Anleitung in Sätzen bestand wie: "Geh zu dem da hinten, der braucht eine lila Windel". Natürlich kannte der Bewohner mich nicht. Wie umgekehrt. Intimsphäre was war das noch einmal ? Weiter, durfte ich Nachtdienste machen, in Gruppen die einen erfahrenen Kollegen gebraucht hätten. Oder zumindest jemand mit Schlüssel, der so an die Bedarfsmeditation ran kommt. Bei schweren Epileptikern, sollen diese schon Wunder gewirkt haben. Selbst im Urlaub, ließ einem die Arbeit nicht los. Den gegen Ende sollte regelmäßig angerufen werden, um in Erfahrung zu bringen, wo man den nach dem Urlaub ist. Der Schichtdienst war noch nie gut für den Biorhythmus. Das der Dienstplan nach der Gesundheit für den Mitarbeiter ausgelegt ist, ist ein Wunschtraum. Als Zeitarbeiter bist du ja flexibel und gewinnbringend einsetzbar. Denk bloß nicht dran dich zu beschweren, wenn du an einem Tag, in zwei verschiedene Himmelsrichtungen fahren musst um dann jeweils für drei Stunden zu arbeiten. Ist doch kein Wunschkonzert. Und wenn du einmal in einem Haus für die besagten drei Stunden warst, bist du Top eingearbeitet und kennst dich prima aus.

    [? Fortsetzung folgt?]

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  3. Das Schlimme finde ich,das man in so einer Gesellschaft keine Sicherheit mehr hat.Man kann nicht planen was in ein oder zwei Jahren ist.Kinderwunsch ist da fehl am Platz,denn jeder will seinen Kindern doch was bieten...
    Wenn diese Sicherheit von der Politik nicht gegeben ist,kann sich keiner über den Fachkräftemangel der sich heute schon ausbreitet beschweren!!!

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  4. hat gesagt...
    Die Zeitarbeit versucht mit neuen Begriffen wie: (Anlernkraft, Gewerblich-Technischer Helfer oder Leasingmitarbeiter) darüber hinwegzutäuschen um was es sich in Wirklichkeit handelt, nämlich um Niedrige schlechtbezahlte Arbeit. Es kommt oft vor das man regelmäßig umdisponiert wird, das heisst man kriegt einen neuen Einsatzort. Das heisst das man sich auf neue Kollegen, neue Arbeitszeiten und neue Tätigkeiten einstellen muß. Für diese Strapazen sollte man wesentlich besser bezahlt werden, ansonsten ist man stets unmotiviert und es ist nur eine Frage der Zeit bis man das Unternehmen wieder verlässt. Zeitarbeit sollte nur für Menschen in Frage kommen die noch nicht wissen was sie Beruflich machen möchten bzw. frisch eingewandert sind und sie die Zeitarbeit als Übergangsphase nutzen können bis sie ihre Deutschkenntnisse verbessert haben.

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  5. Die Zustände in der Zeitarbeit sind einfach skandalös. Nachdem nun seit Jahren deutlich sichtbar ist, dass das Ziel verfehlt wurde, mit der Zeitarbeit zusätzliche Arbeit zu schaffen. Es muss endlich gesetzliche Einschränkungen geben, die unmöglich machen Vollzeitkräfte zu feuern und dann als Zeitarbeiter wieder einzustelle3n - zur Hälfte des Geldes - so verkorkst wie das Modell ist, fände ich noch besser die Zeitarbeit abzuschaffen und sich zu überlegen, wie man sonst mit variiernedem Arbeitskraftbedarf in einigen Branchen umgehen kann. So war die Zeitarbeit auch gedacht und nicht als prekäre Beschäftigung!!!

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  6. Ich vermute stark das dahinter Teilweise Lobbyisten oder wie auch immer man das schreibt:) dahinter stecken. Ich denke die Politik kann dagegen nicht viel tun.Hat ein Betrieb mal eine bessere Auftragslage,so kann vorübergehend auf Leasingpersonal zugegriffen werden, dies Kostet das Unternehmen wesentlich mehr pro Stunde als das Gehalt eines Mitarbeiters,allerdings kann dieser bei schlechter Auftragslage wieder abgesetzt werden.Das ist im großen und ganzen rentabler als jemandem einen 1-Jahresvertrag zu geben.Das ist so ziemlich das Höchste an Flexibilität was hier abverlangt wird.Der Nachteil dabei ist das die Leasingarbeiter meistens nicht gut genug qualifiziert sind.Ein qualifizierter Arbeiter verdient auch in der Zeitarbeitsbranche mehr als ein nicht qualifizierter, meistens gehen aber nur nicht qualifizierte Arbeiter zu der Zeitarbeit,weil sie meistens nichts anderes finden so auf die schnelle.Es gäbe aber 2 Möglichkeiten: Erstens die Leute nicht qualifiziert sind zu qualifizieren, das währe zwar Anfangs sehr teuer für den Staat,würde aber nach einiger Zeit gewinn bringen,da man weniger Fachpersonal aus dem Ausland benötigte. Die zweite Möglichkeit währe einfach auch mal Leute einzustellen die nicht qualifiziert sind....ich denke das jeder Mensch seine Stärken und Schwächen hat,man sollte mit dieser Zeugniswut aufhören und die Leute einfach gründlich testen,dann sieht man schon ob jemand die nötige Intelligenz oder die nötige Kompetenz mitbringt,auch ohne Ausbildung.

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  7. Natürlich haben Lobbyisten großen EInfluss auf die Politik. Leider geht das sogar noch weiter. Viele Politiker sind bereits vor, während oder nach ihrer Amtszeit selbst Lobbyisten; leider nicht von ihren WÄhlern, sondern vielfach vertreten sie die Interessen von Firmen oder Privatpersonen für die sie irgendwann arbeiten oder tun sich gegenseitig "Gefallen". Sieht man ja aktuell an Wulff; aber auch an SChröder, Fischer... Denn ich erwarte tatsächlich von der Politik, dass sie dem Allgemeinwohl dient und nicht kleineren Gruppen! In der Tat werden Zeitarbeiter, die so eingesetzt werden wie ursprünglich geplant, besser vergütet als Stammarbeiter. Doch viel größer ist die Gruppe derjenigen die als Stammkraft mehr verdient haben als nach ihrem Rauswurf, wenn sie über einen Subunternehmer wieder in der gleichen Arbeit eingesetzt werden. Das ist der eigentliche Skandal! Doch natürlich wäre eine bessere Qualifizierung auch ein Fortschritt!

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