Montag, 31. Oktober 2011

Besuch im Camp vor der EZB in Frankfurt



Hier also der Bericht vom Besuch im „Protestcamp“ vor der Europäischen Zentralbank in Frankfurt…

Mittags ging es von Stuttgart aus los. Ich befand mich in der äußerst angenehmen Gesellschaft von Robert und Putte von Flügel-TV. Während die beiden mithilfe ihres selbstgebastelten Übertragungswagen Livebilder und Interviews einfangen wollten, war meine persönliche Motivation, einmal wirklich den „Geist“ der Protestbewegung zu atmen, nachdem ich bereits seit geraumer Zeit den „Occupys“-Gedanken lebe. Gleichzeitig wollte ich lernen und möglichst viele Impulse aus Frankfurt mitnehmen.

Bereits die Hinfahrt war ein absolutes Highlight, bot Gelegenheit einander kennen zu lernen und die Jetztzeit aus unterschiedlichen Perspektiven unter die Lupe zu nehmen und sich intensiv auszutauschen. Eine sehr schöne Einstimmung.

In Frankfurt angekommen war ich erst mal überrascht, wie zentral das Camp in Frankfurt liegt. Mitten im Innenstadtkiez. Wir fragten einen Fußgänger nach dem Weg. Dieser versicherte uns, kein Deutsch zu sprechen doch auf die direkte Frage von Putte: „Where ist he revolution?“ antwortete er ohne einen Sekundenbruchteil zu zögern: „Left!“; Wo auch sonst…

Schließlich erreichten wir unser Ziel; eine Zeltstadt, umzingelt von riesigen Bankengebäuden, wie ein gallisches Dorf. Während die Demonstration mittags wieder zwischen 1500-3000 Menschen (je nach Quelle...) Demonstrationen angezogen hatte, waren hier schätzungsweise 250 Menschen versammelt, die gerade einem „Poetry Slam“ lauschten. Insgesamt sinken die Zahlen bei den Demonstrationen der „Occupy Frankfurt“-Bewegung doch gleichzeitig wächst die Beteiligung auf dem Platz vor der EZB. So wurde uns zumindest glaubhaft beschieden. Und darum geht es ja schließlich. 

Um eine reale Vernetzung, um Diskussionen und um eine schritthafte Entwicklung hin zu einem Konsens über konkrete Forderungen der Teilnehmer. Ein echtes Demokratieprojekt, das noch in den Kinderschuhen steckt, was jedoch allen Beteiligten klar ist. Und es handelt sich um ein ehrgeiziges Projekt, schließlich ist der Teilnehmerkreis ausgesprochen bunt und vielschichtig und es ist richtig, sich Zeit zu nehmen und nicht mit Schnellschüssen das vorhandene Potential zu zerstören. So gerne das mancher Entscheidungsträger aus Politik und Finanzwirtschaft wünschen würde. Doch auch in anderen Camps rund um den Global wird noch gerungen um konsensfähige Positionen und eine Vernetzung unter den Camps findet gerade statt.

Es gibt Versuche verschiedenster Interessengruppen, die Bewegung zu unterwandern oder zu vereinnahmen, von ganz linken bis hin zu ganz rechten Tendenzen. Das zeigt deutlich die Relevanz der Thematik der Protestbewegung auf. Und so vorsichtig man sein muss, um fragwürdigen Akteuren ein Plenum zu bieten, so braucht es im Moment jeden, der sich in die Diskussion einbringt, solange er für sich spricht und keine Werbung für eine andere Sache macht.

Doch jetzt erst mal hin zu den Emotionen im Protestcamp. Deutlich merklich war von Anfang an, dass es sich um einen Platz handelt, der unweit entfernt ist von sozialen Brennpunkten Frankfurts. Gleichzeitig liegt er so zentral, dass viele Bürger durch das Protestcamp bewegen; manch einer bleibt stehen, hört ein wenig zu, andere können offensichtlich wenig mit den Protesten anfangen und wieder andere bleiben.

Eine unheimliche Symbolkraft geht von den Zelten aus. Das Zelt der Essensausgabe, die durch Spenden Frankfurter Bürger und Institutionen ermöglicht wird befindet sich direkt vor dem riesigen illuminierten Eurozeichen. Und so oft man aufgrund der heimeligen Athmosphäre vergisst, wo man sich eigentlich befindet – ein Blick nach ganz weit oben hin zu den "Palästen des Kommerz" erinnert einen unwillkürlich daran, wie richtig dieser Platz für den Protest ist und wie dringend die Problematik der noch immer ungebremsten Finanzmärkten tatsächlich ist. 
Ein spannungsgeladener Kontrast.

Eine Person wird mir nachhaltig im Gedächtnis bleiben. Ein Tellerwäscher, der uns mit leuchtenden Augen verrät, dass er bereits seit den frühen Morgenstunden wie ein Weltmeister spült. Freimütig erzählt er, warum er hier ist und was für eine neue Erfahrung er gerade macht. Er berichtet seit 15 Jahren auf der Straße zu leben und als Kind im Heim aufgewachsen zu sein. Dass er schon seit Ewigkeiten ein Einzelgänger ist, was auch nötig ist, um auf der Straße zu bestehen.
Und nun steht er hier seit 4 Tagen und erlebt vielleicht erstmalig in seinem Leben, was eine Gemeinschaft sein kann und wie wertvoll gelebte Solidarität ist. Nun wird er gebraucht. Und er hat sich entschieden, Teil von etwas zu werden, das der Beginn einer neuen Solidarität sein kann, die wir so dringend brauchen, um die Herausforderungen unserer Zeit gerecht zu werden.

Man bekommt Gänsehaut, wenn man seinen leisen und nichtsdestotrotz kraftvollen Worten lauscht.
Er weiß, was es bedeutet, missachtet und ausgestoßen zu werden, doch hier steht er und bringt sich ein und zeigt, dass er gewillt ist seinen Beitrag zu leisten, ohne etwas zu erwarten. Er hat Hoffnung und das ist unglaublich wertvoll. Vielen herzlichen Dank!!!

Leider wurden wir an diesem Tag nicht Zeuge einer Assmblea – einer Versammlung angelehnt an die spanische Demokratiebewegung – doch das wird definitiv nachgeholt – mir gefällt die Parallele zur griechischen Agora – einem Forum von Bürgern, asu dem die Demokratie in Griechenland einst entstanden ist.

Die Impressionen waren vielfältig – genau wie die Anewsenden. Natürlich kommen auch Junkies und Anarchos – viele von ihnen fühlen sich schon lange heimatlos und die bestehende Politik von Zins und Zineseszins und auf der anderen Seite Verschuldung mit ebenfalls horrenden Zinsen wird noch zu einer Verschärfung des sozialen Gefälles auch hier in Deutschland führen. Daher sollte man sich hüten, davon zu sprechen diese Menschen würden der Bewegung schaden. Sie sind ein Teil und haben jede Berechtigung sich zu zeigen, so sehr mancher sie gerne weiter ignorieren würde.

Doch genauso findet man gutbürgerliche Besucher und stellenweise auch Banker.
Genauso vielfältig war das Programm. Vom Poetry Slam über harte Rockmusik und soulige Klänge bis hin zur tanzbaren Elektromusik gab es ein vielfältiges Bühnenprogramm.

Definitiv möchte ich diese Eindrücke vertiefen und bin auch segr gespannt auf die Interviews im Zusammenschnitt von Flügel-TV. Ich werde darauf verlinken, sobald dieser Beitrag bereit steht.

Herzlichen Dank an all die Menschen in Frankfurt, die stellvertretend für sehr viele andere dort die Stellung halten und dieses Demokratieprojekt wagen.

Außerdem möchte ich wärmstens diesen ZDF-Beitrag empfehlen:


Bilder finden sich im Beitrag von gestern etwas weiter unten...

Solidarische Grüße und auf sehr bald!!!

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