Samstag, 1. Oktober 2011

Stuttgart 21




Projektgegner versammelten sich am Schlossplatz und zogen im Anschluss in den Schlossgarten - im Gedenken an die schrecklichen Ereignisse vor genau einem Jahr, als die Landesregierung mithilfe der Polizei, versucht hatte, den Protest nieder zu knüppeln und zu kriminalisieren.

Eine kurze Rückblende:

In die Schusslinie war zu allererst eine angemeldete Schülerdemonstration geraten. Einige stellten sich den anrückenden Polizeihundertschaften in den Weg, die begonnen hatten, Bäume einzuzäunen, die später gefällt werden sollten. Darauf reagierte die Polizei unverhältnismäßig aggressiv.
Im Verlauf kam es zu massiven Einsatz von Wasserwerfer, Tränengas und Schlagstock. So stellten sich auch immer mehr Demonstranten dem völlig entgleisten Polizeieinsatz in den Weg. Die Parkschützer - eine Organisation, die sich dem Erhalt des Parkabschnitts bedingungslos verschrieben hat - mobilisierten ihren Widerstand. Und auch viele einfache Bürger - aufgeschreckt von den unfassbaren Ereignissen.
Inzwischen gab es viele Verletzte, das Bild des Mannes, der sein Augenlicht fast vollständig einbüßte gingen damals ja durch die Medien.
Noch heute sind viele Menschen traumatisiert von der Gewalt, die sie am 30.09. 2010 erlebt haben. 
Der Einsatz und die Ausrüstung der Hundertschaften der Polizei waren völlig unverhältnismäßig. Es ging schließlich um den Bürgerprotest im Stadtpark und nicht um den Angriff hunderter vermummter und bewaffneter Anarchos...
Selbst wenn dies auf einer Fehleinschätzung der Lage basieren sollte - ich fürchte viel mehr es ging um einen bewussten Versuch einer Kriminalisierung und Spaltung des Widerstands - so verstehe ich eines nicht:

Wie um alles in der Welt konnte man diesen Einsatz bis zum nächsten Morgen so durchziehen, inklusive Fällung der Bäume, während der Park noch stark gefüllt war von fassungslosen Bürgern?
Hätte man nicht spätestens als die Meldungen von den verletzten Jugendlichen kam, einhalten müssen?
Um sich zu entschuldigen und erst mal aufzuarbeiten, was da schief gelaufen ist!

Nun - die Entschuldigung ist ausgeblieben und es gab auch keine juristische Konsequenzen für die völlig enthemmten Polizisten (ich möchte hier nicht unzulässig verallgemeinern - es ging um einige Polizisten) und die Entscheidungsträger dieses Einsatzes. Sehr wohl gab es Urteile gegen etliche Demonstranen - wegen Landfriedensbruch, Widerstand gegen die Staatsgewalt und anderen Delikten. Auch Hausdurchsuchungen bei  Parkschützern und Cams21 (die Videos von den Geschehnissen aufzeichnen und per Livestream zugänglich machen) haben stattgefunden.
Reine Einschüchterung! Umso erfreulicher, dass der Widerstand lebt.
Joe Bauer (Stuttgarter Nachrichten) hat in seiner Rede auf die Zusammenhänge hingewiesen. Es geht darum, dass die Bürger sich für ihre Stadt engagieren, zeigen dass die Stadt allen Bürgern gehört. Viele sind nicht gewillt zuzusehen, wie sich die Städte in Büro-, Banken- und Geschäftsmeilen verwandeln, in denen allenfalls für die Platz bleibt, die es sich noch leisten können. Hier auch die Parallelen zu den hier öfter auftauchenden Protesten im Schanzenviertel und St. Pauli in Hamburg. Es geht um die entscheidende Frage:

Wem gehört die Stadt?

Und um nichts anderes ging es auch beim Protest in Spanien: öffentliche Plätze zurück zu erobern und sie zu verwandeln in ein Forum, in dem diskutiert wird, wie eine lebenswerte Zukunft aussehen kann. Erfreulich, dass sich immer mehr Menschen für eine direkte Demokratie einsetzen und sich dem Diktat der Wirtschaft und des bisweilen unsinnigen Fortschritts entgegensetzen. Es geht um Lebensqualität!
In diesem Sinne bin ich gespannt, was in nächster Zeit in aller Welt passiert. Die Zeichen mehren sich, dass ein Wandel schon begonnen hat. Das macht optimistisch. Es braucht jeden Einzelnen!

In diesem Sinne: oben bleiben!

Links:

Parkschützer e.V.

Cams 21

bei Abriss Aufstand

Alternativmodell K21

Themenseite Spiegel online

Die brutale Räumung des Schlossgartens am 30.09. 2010 - Zusammenschnitt

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