Freitag, 20. Januar 2012

Demokratieabbau, Zensur und Rassismus


Zeit, um einmal die Entwicklungen des neuen Jahres zu beleuchten. Einiges liegt mir nun schon seit einiger Zeit auf der Seele und so möchte ich verschiedene Links vorstellen und einige grundlegende Kommentierungen vornehmen.

Bereits in der Neujahrsnacht spielten sich zwei Vorgänge ab, deren Relevanz man sich unbedingt vor Augen halten muss. Zum einen unterzeichnete Obama den "National Defense Authorization Act" (NDAA). Zuvor hatte Obama noch angekündigt, gegen diese Gesetzesinitiative sein Veto einzulegen. Doch einmal mehr muss man bitter enttäuscht ob der Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit der Politik Obamas. Seine große Chance, die USA grundlegend zu verändern, hat er jedenfalls früh verspielt.

Bereits der „Patriot Act“, der kurz nach dem 11. September 2001 von der Bush-Regierung erlassen wurde, ermöglichte die Überwachung von Telefongesprächen und des E-Mail-Verkehrs. Auch die Einsicht in Bankkonten oder medizinische Daten wurde erleichtert. Internetprovider konnten von da an zur Offenlegung ihrer Daten gezwungen werden konnten. In Guantanamo konnten Terrorverdächtige ohne Verfarenseröffnungfestgehalten werden.

Das neue Gesetz geht noch weiter. In Zukunft kann die US-Regierung Terrorverdächtige ohne Gerichtsverfahren festsetzen, das US-Militär kann weitere Gefangenenlager im In- wie im Ausland errichten (die es ja bekanntlich längst gibt) und Terrorverdächtige in den USA und im Ausland festnehmen, verhören und ohne zeitliche Beschränkung festhalten. Dabei steht den Verdächtigen kein gesetzlicher Verteidiger zu und es muss nicht einmal eine offizielle Anklage gegen den Verdächtigen erhoben worden sein.
Das öffnet Willkür Tür und Tor.

Weitere Informationen zu diesem Thema:
International Buisiness Times: Obama unterschreibt den NDAA

Ein Gastkommentar von Philipp Guttmann findet sich auf:
Jacob Jung Politikblog: NDAA - Grundstein für Militärdiktatur in den USA

In derselben Nacht gab es auch eine sehr bedenkliche Entwicklung ganz in unserer Nähe - in Ungarn. Bereits seit seiner Wahl arbeitet der Präsident Orban an einem kompletten Umbau Ungarns. Dabei wird die Presse- und Meinungsfreiheit beschnitten und die Verfassung schrittweise verändert, was Orban immer größere Macht beschert und seine Abwahl unmöglich machen soll. Oppositionelle werden verfolgt, der Rechtsstaat ausgehebelt, rassistische Parolen verbreitet und die Meinungs- und Pressefreiheit und die Mündigkeit der Bürger mit Füßen getreten. Und es geschieht direkt vor unserer Haustür. Die EU brauchte Monate um das Thema den notwendigen Raum zu geben und die ungarische Regierung in die Pflicht zu nehmen, zu Rechtsstaatlichkeit zurück zu kehren.

Die Verfassungsreform schränkt die Unabhängigkeit der Zentralbank massiv ein. Die Politik entsendet ihre Vertreter und so vermischen sich die Interessen von Politik und Finanzwirtschaft noch weiter. Ähnliches ist bereits mit der Presse geschehen. Als unabhängiger Journalist lebt es sich inzwischen gefährlich.
Zehntausende sind gegen die Verfassungsreform auf die Straße gegangen und am 15. März, dem Nationalfeiertag, war von der Opposition eine Massendemonstration in Budapest gegen die Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit geplant. Doch die Regierung hat alle Plätze in der Stadt selbst für Versammlungen angemeldet, so dass die Demonstration, die Hundertausende anziehen könnte, bereits im Keim erstickt wird. Es existieren sogar Pläne des Justizministeriums die öffentlichen Plätze in der Stadt dauerhaft für eigene Kundgebungen zu reservieren.

Inzwischen handelt die EU endlich und knüpft finanzielle Unterstützung der angeschlagenen Wirtschaft an die Einhaltung von rechtsstaatlichen Prinzipien. Viel zu spät, aber immerhin. Nun muss sich Orban bewegen, will er nicht gänzlich seinen Halt in der Bevölkerung verlieren. Ein Artikel dazu:
welt.de: EU-Kommission leitet Verfahren gegen Ungarn ein

Wer sich näher informieren möchte sein auf den deutschsprachigen Blog „pusztaranger" verwiesen. Trotz ständiger Drohungen findet der Autor den Mut findet, seine Stimme stellvertretend für die Ungarn zu erheben. Ein mutiges und beispielhaftes Engagement:
http://pusztaranger.wordpress.com/

Auch der Rechtsrutsch ist besorgniserregend und das Problem ist längst nicht nur auf Ungarn beschränkt. Massive Ressentiments gegen Juden und Sinti und Roma und regionale Konflikte zwischen Minderheiten gibt es in nahezu allen südosteuropäischen Ländern. Dabei müsste doch der schreckliche Jugoslawienkrieg doch noch lange in den Köpfen der Menschen an die Folgen dieses Wahns erinnern! Doch die Nationalisten erleben eine Renaissance in der Krise. Wer mit dem Rücken zur Wand steht, war schon immer empfänglich für Bauernfängerei – vor allem dann, wenn sich keine echte politische Alternative abzeichnet.
Zu dieser Besorgnis erregenden Entwicklung in Südosteuropa geht dieser Artikel ein:
spiegel.de: Europas Osten rückt nach rechts

Natürlich ist die Gefahr längst nicht auf Südosteuropa beschränkt. Man denke an die Rechten in Österreich. Auch in Frankreich und Italien gibt es Verfolgungen von Sinti und Roma, starke fschistische Gruppierungen oder gar Parteien und rassistische Sprüche sind auch den "Staatsmännern" Berlusconi und Sarkozy nicht fremd. Berlusconi ist ja inzwischen endlich weg vom Fenster, aber wie konnte er es nur schaffen, dreimal gewählt zu werden? Auch hier waren die Verflechtungen seines Medienimperiums, von Mafia, Politik und Justiz erschreckend.
In Holland, Belgien, Polen und Russland gibt es starke rechtsradikale Lager und auch in Skandinavien grassiert der Virus. Auch hierzulande gilt es die Augen offen zu halten und Rassismus entschieden entgegen zu treten.Man braucht sich nur ansehen, welchen Zulauf rechtsradikales Gedankengut in strukturschwachen Regionen erfährt! Hier braucht es dringend Alternativen für die jungen Menschen. Der Staat darf niemals vor Rechtsradikalismus kapitulieren!

Immer wieder höre ich auch die dümmliche Plapperei von der Weltverschwörung der US-Amerikaner und der Zionisten. Das ist für mich absolut unerträglich. So falsch die israelische Politik an sich sein mag; nichts rechtfertigt solche rassistischen Ausfälle. Gerade wir haben eine Verantwortung solchen Gedankengut entgegen zu treten!
Doch es ist frappierend, wie stark wir noch immer von Vorurteilen geprägt sind. In Diskussionen über Afrika, bekomme ich manchmal Gedankengut zu hören, bei dem mir einfach nur schlecht wird. Das Bild vom „faulen und abhängigen Neger“ wurde zu Kolonialzeiten geprägt und steckt noch immer in zu vielen Köpfen.
Wir müssen dringend diese Ressentiments überwinden, sonst finden wir keine Lösungen für eine globalisierte Welt!!!

In den letzten Tagen wurden die geplanten Internetsperren in den USA heftig diskutiert – völlig zu Recht. Schließlich stehen die meisten Server des WWW in den USA und wir wären von den Auswirkungen dieser Gesetze deutlich betroffen. Vor allem wird Zensur Tür und Tor geöffnet. Doch wir müssen uns das Medium Internet in seiner jetzigen Form unbedingt erhalten. Nur so hat der Gedanke von Schwarmintelligenz, Basisdemokratie und Transparenz eine Zukunft. Eine Zensur auch der Gegenöffentlickeit massiv schaden, da Regressansprüche wegen Nichtigkeiten viel leichter durchzusetzen wären. Auf FB kann man ja bereits mitunter Zensur erleben – so ging es mir vor kurzem als ich den Essay „Revolutionäre Gedanken“ von Heinz Sauren auf FB verlinkte. Am nächsten Tag waren alle Links weg und ließen sich auch nicht erneuern.
Wir hatten bereits vor einigen Monaten über die Zukunft des Internets und seiner Freiheit diskutiert, daher möchte ich auf den Artikel von damals verweisen:

Der Scheinwerfer: Die Zukunft unseres Internets

Hin zu dem Thema, das in den letzten Monaten am kontroversesten diskutiert hat: dem Finanzsektor. Hat sich irgendetwas verändert? - Fehlanzeige! Und das ist ein Skandal! Nicht einmal eine Transaktionssteuer wurde erreicht...
Stattdessen wird uns suggeriert, es sei alles wieder in Ordnung; dabei ist die Gefahr riesengroß, dass wir uns in Europa in eine Rezzension bewegen und bald eine Inflation erleben werden. Die Gelddruckerei wird nicht ohne Folgen bleiben. Für die USA sehe ich dabei noch schwärzer. Hoffentlich wird dann endlich ein Neuanfang gewagt. Denn eine erneute Blase mit (Bau)-Boom und Absturz wird unser Planet vielleicht gar nicht mehr ökologisch verkraften können. Es benötigt eine völlig andere und schonende Nutzung unserer endlichen Ressourcen und dem Einsatz neuer Technologien zur Energiegewinnung.

Aberwitzig auch was dieser Tage zu lesen war: Hedgefonds wollen Menschenrecht auf Profit einklagen, sollte es für Griechenland zu einem Schuldenschnitt kommen. Mir kommen gleich die Tränen. Am liebsten würde ich den Akteuren eine tüchtige Abreibung verpassen. Die haben doch jegliche Menschlichkeit verloren.
Mehr will ich dazu gar nicht sagen. Die Absurdität dieser Zeit ist kaum zu toppen. Vielleicht sollten diese Zyniker auf Kabarett umsatteln...
Hedgefonds fordern Menschenrecht auf Gewinn

Hier noch ein ernster Artikel zur Lage der Dinge im Finanzsektor:
diepresse.com: Geldsystem - das Endspiel nimmt Form an

Exemplarisch daraus die letzten Zeilen:

"Die möglichen Folgen sind nicht abzuschätzen. Denn die dritte Regel der Notenbanken wird selten bedacht: Irgendwann kannst du keine Zeit mehr kaufen, egal, wie viel Geld du druckst."

Ich werde nun da enden, wo meine kleine Reise ihren Anfang genommen hat: in den USA.
Am 17. Januar kam es erneut zu einer sehr gelungenen Aktion: „Occupy Congress“
Man sieht auf dem folgenden Video sehr deutlich, wie stark die Occupy-Bewegung in den USA ist – trotz des miesen Wetters. Das macht Hoffnung. 




Auch hier wird die Bewegung wieder anwachsen - spätestens, wenn die Lebensumstände hier für mehr Menschen schlechter werden. Doch warum muss es nur immer erst so weit kommen?
Ich bin besorgt über den Zustand der Welt, aber nicht hoffnungslos. Die beispiellose Krise, die wir zweifellos in den nächsten Jahren erleben werden, bietet auch die Chance für ein Umdenken; ein Gesundschrumpfen unserer Lebensverhältnisse hin zu einer neuen Nachhaltigkeit. Darin liegt ohnehin unsere einzige Zukunftschancen. Wenn es also krachen muss, dann wird es krachen. Solange kann ein jeder versuchen durch seinen Einsatz den Knall abzumildern, auf dass nicht zuviele unschuldige Menschen darunter leiden werden. Wir müssen für unsere Bürgerrechte kämpfen; erst dann wird man uns ernst nehmen!

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