Liebe Leser!
Schon vor 2 ½ Monaten habe ich in dem Blog „Abschied und
Neubeginn“ viel darüber geschrieben, warum ich mich als Blogger neu orientieren
möchte. Zwischen einem angekündigten und einem tatsächlichen Abschied liegt zumeist
etwas Zeit – so war es auch in diesem Fall. Es fiel mir schwer das Projekt „Der
Scheinwerfer“ los zu lassen, nachdem ich viel Zeit, Herzblut und Idealismus in
das Schreiben der Blogs investiert habe und mich als Blogger auch als Aktivist
innerhalb der Occupy-Bewegung verstanden habe. Nun bin ich tatsächlich bereit
loszulassen. Natürlich nicht, ohne noch einmal auf einige Kernthemen
einzugehen, meine Position nach knapp einem Jahr „politischer Arbeit“
darzustellen und auf den Global Evolution
Day und die Aktionstage in Frankfurt im Mai hinzuweisen…
Es ist viel passiert in den letzten Monaten doch ich möchte
mich auf wenige Themen beschränken. Was mir in Debatten über Lybien, Syrien
oder zuletzt Israel aufgefallen ist, ist zum einen die immer größer werdenden
Unterschiede zwischen den Meinungen in den traditionellen Medien und dem
Meinungsbild innerhalb der Netzgemeinde. Erschreckt hat mich dabei die immer
stärker werdende Tendenz, dass es nur noch Schwarz / Weiß zu geben scheint und
diese Tendenz durch das Internet noch verstärkt wird. Damit habe ich in meinen
Blogs immer versucht anzukämpfen.
Neben der zu begrüßenden Transparenz und der Weitergabe
wichtiger Informationen, transportiert das Netz eben auch eine bisher
unbekannte Fülle an Halbwahrheiten, Banalitäten, Spitzfindigkeiten und Polemik
bis hin zu rassistischen Tendenzen unter dem Deckmantel der Anonymität.
Im Fall Kony hat sich in beispielloser Form gezeigt, welche
Bedeutung das Internet als Multiplikator von Nachrichten haben kann.
Gleichzeitig leider auch, wie leicht sich das Internet und die Menschen
manipulieren lassen können.
Ein clever inszenierter, durchaus berührender Film verdreht
die Wahrheit nach Belieben und wird dennoch als eine beispiellos erfolgreiche
Kampagne in die Geschichte eingehen.
Letzten Endes aber nur eine moderne Hexenjagd. Auch die Ergreifung des
Rebellen wird die Lage in Uganda nicht verbessern, zumal sich Kony schon lange
nicht mehr in Uganda aufhält. Aber Feindbilder bleiben beliebt und sind
einfacher zu füttern, als sich mit den komplexen Problemen vieler afrikanischer
Staaten auseinanderzusetzen und die Entwicklungshilfe in ihrer jetzigen Form
grundlegend in Frage zu stellen. So alt die Floskel „Hilfe zur Selbsthilfe
ist“, so selten wird sie umgesetzt.
Doch nur eine differenzierte Meinungsbildung kann der
Wahrheit näher kommen. Genauer gesagt gibt es viele verschiedene Wahrheiten und
nur durch den Vergleich und das Ernstnehmen von Gegenpositionen kann man sich
wirklich eine Meinung bilden und der Wirklichkeit nahekommen.
Ich persönlich werde immer hellhörig, wenn jemand behauptet,
die Wahrheit zu kennen. Das kann nur bloße Anmaßung sein in dieser
überkomplexen Welt. Viel wichtiger ist, dass man sich mit unterschiedlichen
Quellen befasst, versucht Informationen
und Thesen einzuordnen und sie aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten.
Dieses Filtern und Einordnen kann man nicht einfach nur
Kommentatoren, Essayisten oder Bloggern überlassen, sondern jeder ist gefragt
seine eigene Meinung immer wieder zu überprüfen, um nicht auf die eine oder
andere Weise radikalen Thesen zu verfallen. Natürlich ist die Welt extrem
komplex und es war schon immer einfacher, sich für den Mainstream oder auch die
radikale Opposition zu entscheiden, doch das wird uns nicht weiter bringen.
Besonders aufgestoßen ist mir, wie erfolgreich (verdeckte)
antisemitische Parolen in Teilen der Occupy-Bewegung immer wieder sind.
Das war und ist die Krux der Bewegung. So inspirierend eine
offene Bewegung ist, die jedem offensteht, so reizvoll ist sie eben auch für
Radikale aller Art, die zu Trittbrettfahrern werden und einige mit ihrem
Gedankengut infizieren, ohne dass die Betroffenen es wirklich merken. Die
Piraten machen gerade dieselben Erfahrungen und haben sich nun auch auf ihrem
Parteitag klar abgegrenzt von Radikalen, die versuchen alle neuen Gruppierungen
zu unterwandern.
Übel fand ich auch den Umgangston innerhalb der Bewegung.
Was da an Beschimpfungen, Diffamierungen und Hass zu lesen war, kann nur
verstören und läuft dem Gedanken der Einheit völlig zuwider. Sobald jemand
etwas mehr Verantwortung übernehmen will, wird er angefeindet. Dabei geht es
nie um die Sache. Denn wem es um die Sache geht, der muss kompromissbereit
sein, alles andere ist in erster Linie neurotisch.
Aber zweifellos sind das Kinderkrankheiten aller neuen
Bewegungen.
Das bringt mich auch zu einem weiteren Punkt: ich bin nach
wie vor überzeugt davon, dass die Bewegung Ziele und Inhalte deutlicher
festschreiben muss. Dabei soll genug Raum für Ausgestaltung sein, aber
grundsätzliche Positionen sind notwendig.
Komme ich zum Thema Hierarchie. Auch darin liegt ein
wesentlicher Antrieb für Manche Aktivisten zu attackieren, die mehr
Verantwortung übernehmen wollen. Doch eine völlige Ablehnung von Hierarchie ist
für mich (noch) nicht realistisch und in gewisser Weise auch ideologisch.
Eine Gleichmachung Aller ist sicher eine reizvolle Utopie,
scheitert aber am Wesen des Menschen. Und sollte der Mensch sich tatsächlich
weiterentwickeln und sollte es nur aus Not und mangelnder Zukunftsperspektive
liegen, einfach nicht so weiter machen zu können – selbst dann wird erst ein
langfristiger Prozess notwendig zu sein, um Hierarchien sinnvoll zu
ersetzen.
Und woraus entstehen Autorität und Hierarchie? Ergeben die
sich nicht schon automatisch an dem Punkt, an dem jemand sich stärker
engagieren möchte, sich tiefer verbeißt in das Ringen um fundierte
Informationen oder öffentlich seine Anliegen formuliert? Und was soll daran
schlecht sein? Würde der Mensch hierarchielos funktionieren, hätte dann nicht
auch das Experiment des Sozialismus besser funktionieren müssen? Zugegeben eine
steile These…
Wichtig ist für mich vielmehr, dass Hierarchien nicht
festgeschrieben sind. Sie können sich von Thema zu Thema verschieben. Der eine
ist halt Experte für dies und der andere für etwas anderes. Viel entscheidender
ist es doch diese Begabungen zu bündeln und nicht dem einen die Macht zu über
alle Bereiche zu ermöglichen, nur weil er sich bei einem Thema ganz besonders
gut auskennt oder in gegenseitigem Neid zu verfallen. Das ist reine Egomanie.
Hierarchien müssen flach sein und veränderbar. Ideale und
Visionen sind wichtig – ohne sie wäre die Bewegung kaum entstanden, doch
gleichzeitig dürfen sie nicht zu Dogmen werden. Viel wichtiger ist es für mich,
etwas zu erreichen und nur mit Maximalforderungen wird das in meinen Augen
nicht funktionieren. Deswegen muss man seine Visionen auch nicht verleugnen.
Aber sie werden nicht von heute auf morgen Realität – so sehr ich mir das
selbst oft wünschen würde.
Für mich war die Occupy-Bewegung mit ihren Camps immer ein
Mahnmal, das einen Dialog innerhalb der globalen und den lokalen Bevölkerung
erst in Gang setzt. Und erst dann können die Inhalte um die die Occupy-Bewegung
ringt, ausgestaltet werden. Was bringt es auch schon, wenn sich 10 % der
Bevölkerung einig sind, dass ein Grundeinkommen eine gute Idee ist, wenn sie
dann in der gesamtgesellschaftlichen Diskussion scheitert?
Was ich immer sehr traurig fand, ist die Tatsache, dass die
Menschen Europas nicht schon alleine dadurch aufstehen, dass es einem erheblichen
Teil der Weltbevölkerung dreckig geht, solange der eigene Wohlstand gesichert
scheint. Aber so ist es eben in unserer egozentrischen Welt.
Doch zurück zur Occupy-Bewegung. Leider habe ich oft das
Gefühl das Aktivisten die Teilnahme an virtuellen Diskussionen ausreicht. Das
ist ein Trugschluss. Nur, wenn wir unsere Visionen, Ideale und unsere Empörung
auf die Straße tragen werden wir etwas erreichen können. Und ich gehe davon
aus, dass noch ein langer Prozess sein wird hin zu wahrer Veränderung..
Aus diesem Grund bin ich auch sehr gespannt, wie hoch die
Beteiligung am 12. Mai, dem „Global Evolution Day“ sein wird und auch im Rahmen
der Proteste in Frankfurt vom 17.-19. Mai unter dem Motto „Blockupy“. Aktuell
ist letztere Veranstaltung verboten worden, was aber kaum aufrechterhalten
werden kann. Schließlich geht es um die Versammlungsfreiheit. Ich kann mir
lebhaft vorstellen, dass die Frankfurter CDU wenig begeistert ist von der
Aussicht auf drei Tagen Protest…
Aber das wird kaum etwas nützen. Man wird kaum aktuell
avisierte 40.000 Teilnehmer das Protestieren verbieten können…
Diese beiden Events werden lebhaft spiegeln, was seit der
spanischen Revolution ein Jahr zuvor gewachsen ist und wie viele Menschen zu
den Protesten mobilisiert werden können.
Damit schließt sich auch für mich vorläufig der Kreis. Ich
werde mich an anderer Stelle weiter engagieren. Nachdem mein Buch unmittelbar
vor der Vollendung steht, werde ich einen neuen Blog aufbauen. Dort möchte ich
mich stärker dem inneren Wandel widmen. Hier möchte ich auf Bücher und Autoren
hinweisen, die mich geprägt haben und andere Blickwinkel auf das Leben auf
dieser Erde und auf die großen Fragen des Lebens ermöglichen. Eigene Bilder
unter der Rubrik „Sehnsuchtsorte“ werden einen Teil ausmachen und sobald ich
wieder auf Reisen bin auch neue Reiseberichte aus Asien. Dort kann man in Kürze
auch das Buch bestellen, das auch politisch Stellung bezieht, wie ihr das
gewohnt seid. Gleichzeitig ist es sehr persönlich und beinhaltet meine erste
Reise nach Indien. Dem Wandel werde ich mich weiter verschreiben – da gibt es
kein Zurück. Vielleicht wird mich mein Weg auch irgendwann wieder zum Scheinwerfer zurückführen.
Time will tell...
Bei Interesse am neuen Blog:
Wie gesagt gerade noch im Entstehen
Euch allen wünsche ich Kraft, Mut und Durchhaltevermögen, aber
auch bereichernde Begegnungen, Visionen und Erfolgserlebnisse.
Passt auf Euch auf!
Euer Oleander
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